Lili Boulanger wurde 1893 als Teil einer sehr musikalischen Pariser Familie geboren. Ihr Vater war Dirigent und Komponist und dementsprechend mit vielen sehr wichtigen Künstlern bekannt. Ihre Schwester Nadia wurde Pianistin, Komponistin und Dirigentin, sie wirkte am Pariser Konservatorium bis zu Ihrem Tode 1979. Lili hatte schon früh Orgel-, Klavier-, Cello-, Violin- und Harfenunterricht, mit acht Jahren bereits Kompositionsunterricht bei Gabriel Fauré. Sie genoss also eine sehr gute, von Musik erfüllte Ausbildung, die ihre Wirkung nicht verfehlte: bereits mit 16 Jahren beschloss Boulanger, Komponistin zu werden. Mit den eigenen musikalischen Werken den Lebensunterhalt bestreiten zu wollen war eine sehr mutige Entscheidung, weil es Komponistinnen zu dieser Zeit kaum oder noch gar nicht gab. Trotz des glücklichen Zusammentreffens von Talent, Wille und guter Ausbildung war Boulangers Kindheit überschattet von einer schweren Krankheit. Schon als kleines Kind bekam sie eine schwere Bronchien- und Lungenkrankheit, von der sie sich nie erholte, aber in ihrem viel zu kurzen Leben auch nie unterkriegen ließ. Bereits 1913 gewann sie 20jährig den „Grand Prix de Rome“, ein von 1806 bis 1968 verliehener Kunstpreis, der weltweite Beachtung fand und mit einem mehrjährigen Stipendium versehen war. Boulanger war in der männerdominierten Welt der klassischen Komposition die erste Frau, die diesen traditionsreichen Wettbewerb gewann. Das internationale Interesse sowohl an ihrer Person als auch an ihrem kompositorischen Schaffen explodierte nicht zuletzt deshalb sozusagen über Nacht. Der Ricordi-Verlag bot ihr einen Kompositionsvertrag an. 1916 (sie war erst 23 Jahre alt) wurde Lili Boulanger von den Ärzten mitgeteilt, dass sie nicht mehr länger als zwei Jahre zu leben habe. In der verbliebenen Zeit widmete sie sich, soweit ihre ständig nachlassenden Kräfte es zuließen, der Beendigung von bereits begonnenen Kompositionen. Sie verstarb mit 25 Jahren am 15. März 1918 in Mézy-sur-Seine in der Nähe von Paris. Mein Respekt vor dieser Kraftanstrengung im Angesicht des Todes ist unermesslich groß. Wie schrecklich muss das sein, wenn man noch nicht einmal Mitte zwanzig ist, und es angesichts der schwindenden Kräfte bspw. einfach nicht mehr schafft, die begonnene Oper („La Princesse Madeleine“) voranzutreiben? Ständig den größten Teil des Tages das Bett zu hüten in dem Bewusstsein, dass das eigene Leben viel zu schnell verrinnt? Ein Zitat von Lili Boulanger hierzu habe ich in einer Radiosendung des WDR gefunden: „Ich kann nicht verbergen, wie mutlos ich an manchen Tagen bin. Nicht so sehr wegen der Schmerzen, sondern weil ich begreife, dass ich niemals das Gefühl haben werde, das getan zu haben, was ich wollte.“ Das erste der beiden Werke, die ich hier vorstellen möchte, ist eines ihrer bekanntesten, die „Hymne au Soleil“ für gemischten Chor aus dem Jahre 1912, vorgetragen vom Chor der University of California, Long Beach. https://www.youtube.com/watch?v=Vw2jX63NLss Das zweite entstand 1911, „Nocturne pour violon et piano“. Die veröffentlichte Aufnahme ist wunderbar, ich kann jedoch keine Interpreten nennen, deren Namen wurden leider nicht mit veröffentlicht. https://www.youtube.com/watch?v=L0fG_6jeky0
Lili Boulanger
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